Gewalt gegen Seniorinnen

Gewalt in Pflege und Assistenz

Gewalt in Pflege und Assistenz wird oftmals subtil ausgeübt und nicht als solche wahrgenommen.

Einige Mädchen und Frauen mit Behinderung sind in ihrem Leben von der Hilfe und Unterstützung durch andere Personen abhängig. Diese Assistenz und Pflege wird in vielen Fällen von Familienangehörigen, Partner/innen oder externen Professionellen erbracht und geht mit einer sehr intimen körperlichen Nähe einher. In Pflege- und Betreuungssituationen kommt es nicht selten zu Grenzverletzungen und Übergriffen, denn diese sind gekennzeichnet von einem großen Machtgefälle zwischen Assistenznehmer/innen und Assistenzgeber/innen. Die Abhängigkeit ist umso größer, wenn der Partner zugleich die Assistenz oder Pflege ausführt

Das Gewaltvolles Handeln in Pflege und Assistenz kann viele Facetten haben. Dazu zählen die Verletzung des Schamgefühls der gepflegten Person, eine mangelhafte Ernährung, die hygienische Verwahrlosung, Gewaltanwendungen bei der Medikamentengabe oder auch verbale Attacken und körperliche Angriffe. Oft werden in der Öffentlichkeit Fälle bekannt, in denen Pflegebedürftige festgebunden werden. Aber auch weniger „deutliche Formen“ wie verbale Erniedrigungen oder Beleidigungen sind Gewalt.

Gewalt in Pflege- und Wohneinrichtungen

Innerhalb von Wohn- oder Pflegeeinrichtungen kommt es immer wieder zu gewaltvollen Übergriffen durch Mitbewohner/innen und Betreuungspersonal. Die Strukturen der Einrichtungen erleichtern Übergriffe und verringern die Gefahr der Aufdeckung von Gewalt. Die Abhängigkeit von Mitarbeitenden ist in Einrichtungen sehr groß; es besteht ein Machtgefälle im Betreuungs- und Pflegeverhältnis. Dieses Machtverhältnis erschwert es zugleich, über Gewalterfahrungen zu reden.

Gleichzeitig reichen die Beschwerdemöglichkeiten in vielen Einrichtungen nicht aus - oft fehlen Personen, denen sich betroffene Frauen anvertrauen können, oder ihnen wird nicht geglaubt. Sprachschwierigkeiten können eine Beschwerde ganz grundsätzlich erschweren. Da viele Frauen mit Behinderungen einen Umgang mit ihrem Körper gewohnt sind, bei dem ihre körperlichen Grenzen kaum respektiert werden, können sie oft nicht unterscheiden, ob ein Handgriff Teil der Pflege oder grenzverletzende Gewalt ist. All diese Faktoren können von potentiellen Täter/innen ausgenutzt werden, weil sie wenig Gegenwehr von den Betroffenen befürchten müssen. Immer wieder gibt es Fälle, in denen jahrelang auch von Teilen des Personals von Einrichtungen sexualisierte und andere Formen von Gewalt in der Pflege ausgehen, ohne dass dies bemerkt wird.

In einigen Einrichtungen gibt es bisher wenige Erfahrungen im Umgang mit Gewalt und wenig Wissen über mögliche Folgen und dementsprechend wenig Angebote zur Prävention von Gewalt. Auf Seiten der Mitarbeiter/innen bestehen oft noch Ängste und Unsicherheiten, was zu tun ist. Inzwischen gibt es aber immer mehr positive Veränderungen: Das Bewusstsein über die notwendige Unterstützung und Hilfe gewaltbetroffener behinderter Mädchen und Frauen wächst. Einige Einrichtungen haben Konzepte zum Umgang mit sexualisierter Gewalt erarbeitet.

Leider gibt es bisher keinen Rechtsanspruch auf geschlechtergleiche Pflege. Immerhin aber wird im Sozialgesetzbuch IX ((1) §33) darauf hingewiesen, dass dem Wunsch- und Wahlrecht der betroffenen Person entsprochen werden soll. Auch im Artikel 16 der UN-Behindertenrechtskonvention wird dies gefordert.

Gewalt in der häuslichen Pflege

Der Eintritt einer Pflege- und Assistenzbedürftigkeit stellt ein kritisches Lebensereignis für die pflegebedürftige Person, aber auch für das soziale Umfeld dar. Oft wird die Pflegeverantwortung von vorwiegend weiblichen Familienangehörigen übernommen. Viele Frauen mit Behinderungen werden aber auch von ihrem Partner oder ihrer Partnerin gepflegt. Mit der Inanspruchnahme von Pflege gehen eine erhöhte Abhängigkeit der pflegebedürftigen Person von der pflegenden Person und mehrfache Belastungen einher. Das Risiko, Gewalt zu erfahren hängt außerdem von der Qualität der Beziehung zwischen pflegender und pflegebedürftiger Person ab.

Tritt in einer von Gewalt geprägten Partnerschaft oder Familie eine Pflegebedürftigkeit der betroffenen Person ein, kann das zu einer Verstärkung der Gewalt führen. Zu bestehenden finanziellen, emotionalen und sozialen Abhängigkeiten kommen nun auch pflegebedingte Abhängigkeiten dazu, die von der pflegenden Person ausgenutzt werden können.

Es fehlen oft schnelle und unbürokratische Möglichkeiten der Sicherstellung der Assistenz oder Pflege, wenn eine Trennung der betroffenen Frau und dem gewalttätigen Partner notwendig ist.

Auch wenn Frauen Schutz und Unterkunft suchen und ihren Wohnort schnell verlassen müssen, stoßen sie auf Barrieren. Viele Schutzeinrichtungen wie Frauenhäuser sind für Frauen mit Behinderung und Assistenzbedarf nicht zugänglich, eine kurzfristige und schnelle Unterbringung ist schwierig, wenn die Betroffene auf Assistenz angewiesen ist.