Das Opferentschädigungsgesetz (OEG)

Das Opferentschädigungsgesetz (OEG) bietet Betroffenen von Gewalt in Deutschland die Möglichkeit einen Antrag auf Versorgungsleistungen zu stellen. Voraussetzung ist, dass durch ein Gewaltverbrechen ein körperlicher, psychischer oder wirtschaftlicher Schaden erlitten wurde. Dies ist bei Vergewaltigungen häufig der Fall. Leistungen des OEG sind bspw. die Kostenübernahme von Behandlungsmaßnahmen, auch von Therapien und möglichen Rentenleistungen.

Was ist zu tun?

Die geschädigte Person muss selbst die Leistungen nach dem OEG beantragen und steht außerdem in der Beweispflicht. Es ist nicht erforderlich, dass eine Strafanzeige gegen den/die Täter/in vorliegt. Leistungen können jedoch versagt werden, wenn die Geschädigte es unterlässt, das ihr Mögliche zur Aufklärung beizutragen, insbesondere unverzüglich Anzeige zu erstatten. Erfahrungen der Fachberatungsstellen zeigen, dass es schwierig ist, Leistungen nach dem OEG bei Vergewaltigung zu erhalten, wenn keine Strafanzeige vorliegt.

Es kann zwei bis drei Jahren dauern bis eine Entscheidung bezüglich der Leistungen getroffen wird. Wird dem Antrag zugestimmt, werden anfallende Kosten durch Heilbehandlung, Psychotherapie, Lohnersatz oder Beschädigungsrente bei Erwerbsunfähigkeit vom Staat übernommen.

Wenn der Antrag abgelehnt wird, kann Klage gegen den Ablehnungsbescheid eingereicht werden.

Hinweise:

  • Wenn bereits ein juristisches Verfahren stattgefunden hat, können die Justizakten als Beweismittel vorgelegt werden. Hier sollten Sie wissen, dass dann die Mitarbeiter/innen der Behörden Einsichtsrechte in die Akten erhalten.
  • Prozesskostenhilfe kann auch beim Opferentschädigungsverfahren beantragt werden.
  • Die Bearbeitung des Antrags kann langwierig sein. Sie können sich Unterstützung durch eine/n Anwält/in oder einen Frauennotruf / eine Frauenberatungsstelle holen.

Neu: Das Soziale Entschädigungsrecht (SER)

Das OEG wurde reformiert und heißt seitdem SER. Am 7. November 2019 hat der Bundestag das neue Soziale Entschädigungsrecht (SGB XIV-E) beschlossen. Das Gesetz ging Ende November in den Bundesrat und wurde dort verabschiedet. Die allermeisten Regelungen des Sozialen Entschädigungsrechts sollen allerdings erst zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Die wichtigsten Regelungen für gewaltbetroffene Frauen im Überblick:  

Die allermeisten Regelungen des neuen Gesetzes treten erst im Jahr 2024 in Kraft. Das wurde vom bff und vielen weiteren Verbänden kritisiert, da diese lange Zeit zwischen Beschlussfassung und Inkrafttreten zum Nachteil von Betroffenen von Gewalt ist. Im Gesetz ist außerdem festgelegt, dass die Rechtslage zum Tatzeitpunkt herangezogen wird. Das bedeutet für Betroffene, die bis zum 1. Januar 2024 geschädigt werden oder wurden, dass sie einen Anspruch nach dem aktuell geltenden Recht (OEG) nachweisen müssen. Das gilt auch dann, wenn der Antrag erst 2024 oder später gestellt wird.

Einzelne ausgewählte Regelungen des Gesetzes treten früher in Kraft, so der Anspruch auf Leistungen in Traumaambulanzen ab 2021, die Gleichsetzung von deutschen und nicht-deutschen Staatsangehörigen rückwirkend ab 2018.

Im SER sind nun auch Betroffene von psychischer Gewalt anspruchsberechtigt, was vorher nicht der Fall war. Psychische Gewalt ist dann entschädigungswürdig, wenn sie eine gewisse Schwere aufweist. Im neuen Gesetz erfasst sind auch alle Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Das ist eine deutliche Verbesserung, die aufgrund des politischen Drucks vieler Verbände noch aufgenommen wurde.

Das neue SER sieht zudem Beweiserleichterungen vor. Für viele gewaltbetroffene Frauen war bisher der Nachweis der doppelten Kausalität zwischen Tat und Schädigung sowie Schädigung und Schädigungsfolgen eine große Hürde. Das soll nun bei psychischen Gesundheitsstörungen als Folgen der Gewalt erleichtert werden.

Positiv ist, dass im neuen Sozialen Entschädigungsrecht nicht mehr ausdrücklich die Bedingung einer Strafanzeige aufgeführt ist, was sowohl für Betroffene häuslicher als auch sexualisierter Gewalt relevant ist. Es gibt außerdem weitere neue Regelungen für Betroffene von Gewalt in Partnerschaften. Bisher haben sie sehr oft aufgrund von ‚Unbilligkeit‘ oder ‚Mitverursachung‘ keine Leistungen erhalten, weil sie sich nicht oder zu spät getrennt haben oder zum gewalttätigen Partner zurückgekehrt sind. Das neue Gesetz sieht vor, dass Betroffene von häuslicher Gewalt wegen Verbleib beim oder Rückkehr zum gewalttätigen Partner nicht grundsätzlich Leistungen ausgeschlossen sein sollen.

Ob diese Veränderungen tatsächlich den gewaltbetroffenen Frauen zugutekommen, wird entscheidend von der Auslegung durch die Versorgungsämter abhängen. Der bff fordert deswegen Schulungen für Mitarbeitende der Versorgungsämter.

Im neuen Sozialen Entschädigungsrecht sind schnelle Hilfen verankert. Darunter gefasst sind ein Fallmanagement und Traumaambulanzen. Traumaambulanzen sollen bundesweit flächendeckend eingerichtet werden, laut Gesetz bis 2021. Außerdem ist die Möglichkeit von Kooperationsvereinbarungen mit Fachberatungsstellen gesetzlich festgeschrieben.

Im SER  sind zudem Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit anspruchsberechtigt. Bei Gewalttaten im Ausland gelten jedoch spezielle Regelungen.